Last Updated: Oct 8, 1998
Go to Libretto Homepage


Wagner

Die Meistersinger von Nüremberg - Act II

Erste Szene

Die Bühne stellt im Vordergrunde eine Strasse im Längendurchschnitt dar, welche in der Mitte von einer schmalen Gasse, nach dem Hintergrunde zu krumm abbiegend, durchschnitten wird, so dass sich im Front zwei Eckhäuser darbieten, von denen das eine, reichere - rechts - das Haus Pogners, das andere, einfachere - links - das des Sachs ist. - Von Pogners Haus eine Linde; vor dem Sachsens ein Fliederbaum. - Heitrer Sommerabend; im Verlaufe der ersten Auftritte allmählich einbrechende Nacht. - David ist darüber her, die Fensterläden nach der Gasse zu von aussen zu schliessen. Alle Lehrbuben tun das Gleiche bei andren Häusern.

LEHRBUBEN (während der Arbeit)
Johannistag! Johannistag!
Blumen und Bänder, so viel man mag!

DAVID (leise für sich)
"Das Blumenkränzlein aus Seiden fein
möcht es mir balde beschieden sein!

MAGDALENE (ist mit einem Korbe am Arm aus Pogners Haus gekommen und sucht David unbemerkt sich zu nähern)
Bst! David!

DAVID (nach der Gasse zu sich umwendend)
Ruft ihr schon wieder?
Singt allein eure dummen Lieder!

LEHRBUBEN
David, was soll's?
Wärst nicht so stolz,
schaut'st besser um,
Wärst nicht so dumm!
"Johannistag! Johannistag!"
Wie der nur die Jungfer Lene nicht kennen mag!

MAGDALENE
David! Hör doch! Kehr dich zu mir!

DAVID
Ach, Jungfer Lene, Ihr seid hier?

MAGDALENE (auf ihren Korb deutend)
Bring dir was Gut's, schau nur hinein
das soll für mein lieb Schätzel sein.
Erst aber schnell, wie ging's mit dem Ritter?
Du rietest ihm gut? Er gewann den Kranz?

DAVID
Ach, Jungfer Lene! Da steht's bitter:
der hat versungen und ganz vertan!

MAGDALENE
Versungen? Vertan?

DAVID
Was geht's Euch nur an?

MAGDALENE (den Korb, nach welchem David die Hand ausstreckt, heftig zurückziehend)
Hand von der Taschen!
Nichts zu naschen!
Hilf Gott! - Unser Junker vertan!
(Sie geht mit Gebärden der Trostlosigkeit in das Haus zurück. David sieht ihr verblüfft nach.)

DIE LEHRBUBEN (welche unvermerkt näher geschlichen waren und gelauscht hatten, präsentieren sich jetzt, wie glückwünschend,)

DAVID
Heil! Heil zur Eh'dem jungen Mann!
Wie glücklich hat er gefreit!
Wir hörten's all und sahen's an,
der er sein Herz geweiht,
für die er lässt sein Leben,
die hat ihm den Korb nicht gegeben!

DAVID (auffahrend)
Was steht ihr hier faul?
Gleich haltet das Maul!

DIE LEHRBUBEN (um David tanzend)
Johannistag! Johannistag!
Da freit ein jeder, wie er mag:
der Meister freit,
der Bursche freit,
da gibt's Geschlamb und Geschlumbfer.
Der Alte freit
die junge Maid,
der Bursche die alte Jumbfer!
Juchhei! Juchhei! Johannistag!
(David ist im Begriff, wütend drein zu schlagen, als Sachs, der aus der Gasse hervorgekommen, dazwischen tritt. - Die Buben fahren auseinander.)

SACHS (zu David)
Was gibt's? Treff ich dich wieder am Schlag?

DAVID
Nicht ich: Schandlieder singen die!

SACHS
Hör nicht drauf; lern's besser wie die!
Zur Ruh, ins Haus! Schliess und mach Licht!
(Die Lehrbuben zerstreuen sich)

DAVID
Hab ich heut Singstund?

SACHS
Nein, singst nicht -
zur Straf für dein heutig frech Erdreisten.
Die neuen Schuh steck mir auf den Leisten!
(David und Sachs sind in die Werkstatt eingetreten und gehen durch innere Türen ab.)

Zweite Szene

(Pogner und Eva - wie vom Spaziergang heimkehrend - die Tochter leicht am Arm des Vaters eingehenkt, sind beide schweigsam die Gasse heraufgekommen.)

POGNER (durch eine Klinze im Fensterladen Sachsens spähend)
Lass sehn, ob Meister Sachs zu Haus? -
Gern spräch ich ihn, trät ich wohl ein?
(David kommt mit Licht aus der Kammer, setzt sich damit an den Werktisch am Fenster und macht sich an die Arbeit.)

EVA
Er scheint daheim: kommt Licht heraus.

POGNER
Tu' ich's? - Zu was doch? - Besser nein! -
(Er wendet sich ab.)
Will einer Seltnes wagen,
was liess er sich dann sagen? -
(Er sinnt nach.)
War er's nicht, der meint, ich ging zu weit? ...
Und blieb ich nicht im Geleise,
war's nicht auf seine Weise?
Doch war's vielleicht auch Eitelkeit? -
(Er wendet sich zu Eva.)
Und du, mein Kind? Du sagst mir nichts?

EVA
Ein folgsam Kind, gefragt nur spricht's.

POGNER
Wie klug! Wie gut! - Komm, setz dich hier
ein' Weil noch auf die Bank zu mir.
(Er setzt sich auf die Steinbank unter der Linde.)

EVA
Wird's nicht zu kühl?
'S war heut gar schwül.

POGNER
Nicht doch, 's ist mild und labend,
gar lieblich lind der Abend:
(Eva setzt sich beklommen Pogner zur Seite.)
das deutet auf den schönsten Tag,
der morgen soll erscheinen.
O Kind! Sagt dir kein Herzensschlag,
welch Glück dich morgen treffen mag, -
wenn Nüremberg, die ganze Stadt,
mit Bürgern und Gemeinen,
mit Zünften, Volk und hohem Rat
vor dir sich soll vereinen,
dass du den Preis,
das edle Reis,
erteilest als Gemahl
dem Meister deiner Wahl?

EVA
Lieb Vater, muss es ein Meister sein?

POGNER
Hör wohl: ein Meister deiner Wahl.
(Magdalene erscheint an der Türe und winkt Eva.)

EVA (zerstreut)
ja, - meiner Wahl. - Doch tritt nur ein
(laut zu Magdalene gewandt)
(gleich, Lene, gleich) - zum Abendmahl.
(Sie steht auf.)

POGNER (ärgerlich aufstehend)
's gibt doch keinen Gast?

EVA (wie zuvor)
Wohl den Junker?

POGNER (verwundert)
Wieso?

EVA
Sahst ihn heut nicht?

POGNER (halb für sich)
Ward sein' nicht froh!
Nicht doch ... Was denn? ...
Ei! Werd ich dumm?

EVA
Lieb Väterchen, komm! Geh, kleid dich um.

POGNER (während er ins Haus vorangeht)
Hm! Was geht mir im Kopf doch 'rum? -

MAGDALENE (heimlich zu Eva)
Hast was heraus?

EVA (ebenso)
Blieb still und stumm.

MAGDALENE
Sprach David, meint, er habe vertan.

EVA (erschrocken)
Der Ritter? Hilf Gott! Was fang ich an?
Ach, Lene, die Angst! Wo was erfahren?

MAGDALENE
Vielleicht vom Sachs?

EVA
Ach! Der hat mich lieb:
gewiss, ich geh hin.

MAGDALENE
Lass drin nichts gewahren;
der Vater merkt es, wenn man jetzt blieb.
Nach dem Mahl! - Dann hab ich dir noch was zu sagen,
was jemand geheim mir aufgetragen.

EVA
Wer denn? Der Junker?

MAGDALENE
Nichts da! Nein!
Beckmesser.

EVA
Das mag was Rechtes sein!
(Sie gehen in das Haus.)

Dritte Szene

(Sachs ist in leichter Hauskleidung von innen in die Werkstatt zurückgekommen. Er wendet sich zu David, der an seinem Werktische verblieben ist.)

SACHS
Zeig her! - 's ist gut. - Dort an die Tür
rück mir Tisch und Schemel herfür.
Leg dich zu Bett, steh auf bei Zeit:
verschlaf die Dummheit, sei morgen gescheit!

DAVID
Schafft Ihr noch Arbeit?

SACHS
Kümmert dich das?

DAVID (während er den Tisch und Schemel richtet, für sich)
Was war nur der Lene? - Gott weiss, was! -
Warum wohl der Meister heute wacht?

SACHS
Was stehst noch?

DAVID
Schlaft wohl, Meister!

SACHS
Gut Nacht!
(David geht in die der Gasse zu gelegene Kammer ab. - Sachs legt sich die Arbeit zurecht, setzt sich an der Tür auf den Schemel, lässt aber die Arbeit wieder liegen und lehnt, mit dem Arm auf den geschlossenen Unterteil des Türladens gestätzt, sich zurück.)
Was duftet doch der Flieder
so mild, so stark und voll! -
Mir löst es weich die Glieder,
will, dass ich was sagen soll.
Was gilt's, was ich dir sagen kann?
Bin gar ein arm einfältig Mann!
Soll mir die Arbeit nicht schmecken,
gäbst, Freund, lieber mich frei:
tät besser, das Leder zu strecken,.
und liess alle Poeterei!
(Er nimmt heftig und geräuschvoll die Schusterarbeit vor. Lässt wieder ab, lehnt sich von Neuem zurück und sinnt nach.)
Und doch, 's will halt nicht gehn: -
Ich fühl's und kann's nicht verstehn, -
kann's nicht behalten, - doch auch nicht vergessen:
und fass ich es ganz, kann ich's nicht messen! -
Doch wie soll ich auch fassen,
was unermesslich mir schien.
Kein' Regel wollte da passen, -
und war doch kein Fehler drin.
Es klang so alt, - und war doch so neu, -
wie Vogelsang im süssen Mai!
Wer ihn hört
und wahnbetört
sänge dem Vogel nach,
dem brächt es Spott und Schmach: -
Lenzes Gebot,
die süsse Not,
die legt es ihm in die Brust: -
nun sang er, wie er musst,
und wie er musst, so konnt er's, -
das merkt ich ganz besonders.
Dem Vogel, der heut sang,
dem war der Schnabel hold gewachsen;
macht er den Meistern bang,
gar wohl gefiel er doch Hans Sachsen! -
(Er nimmt mit heitrer Gelassenheit seine Arbeit vor.)

Vierte Szene

(Eva ist auf die Strasse getreten, hat sich schüchternd der Werkstatt genähert und steht jetzt unvermerkt an der Türe bei Sachs.)

EVA
Gut'n Abend, Meister! Noch so fleissig?

SACHS (fährt, angenehm überrascht, auf.)
Ei, Kind! Lieb' Evchen? Noch so spät?
Und doch, warum so spät noch, weiss ich:
die neuen Schuh?

EVA
Wie fehl er rät!
Die Schuh hab ich noch gar nicht probiert;
sie sind so schön und reich geziert,
dass ich sie noch nicht an die Füss mir getraut.
(Sie setzt sich dicht neben Sachs auf den Steinsitz.)

SACHS
Doch sollst sie morgen tragen als Braut?

EVA Wer wäre denn Bräutigam?

SACHS
Weiss ich das?

EVA
Wie wisst Ihr denn, dass ich Braut?

SACHS
Ei, was!
Das weiss die Stadt.

EVA
Ja! Weiss es die Stadt,
Freund Sachs gute Gewähr dann hat!
Ich dacht - er wüsst mehr.

SACHS
Was sollt ich wissen?

EVA
Ei, seht doch! Werd ich's ihm sagen müssen?
Ich bin wohl recht dumm?

SACHS
Das sagt ich nicht.

EVA
Dann wärt Ihr wohl klug?

SACHS
Das weiss ich nicht.

EVA
Ihr wisst nichts? Ihr sagt nichts? - Ei, Freund Sachs,
jetzt merk ich wahrlich, Pech ist kein Wachs.
Ich hätt Euch für feiner gehalten.

SACHS
Kind, beid, Wachs und Pech bekannt mir sind
mit Wachs strich ich die seidnen Fäden
damit ich dir die zieren Schuh gefasst:
heut fass ich die Schuh mit dichtren Drähten,
da gilt's mit Pech für den derbren Gast.

EVA
Wer ist denn der? Wohl was rechts?

SACHS
Das mein' ich!
Ein Meister, stolz auf Freiers Fuss;
denkt morgen zu siegen ganz alleinig:
Herrn Beckmessers Schuh ich richten muss.

EVA
So nehmt nur tüchtig Pech dazu:
da kleb er drin, und lass mir Ruh!

SACHS
Er hofft dich sicher zu ersingen.

EVA
Wieso denn der?

SACHS
Ein Junggesell, -
Is gibt deren wenig dort zur Stell.

EVA
Könnt's einem Witwer nicht gelingen?

SACHS
Mein Kind, der wär zu alt für dich.

EVA
Ei, was! Zu alt? Hier gilt's der Kunst,
wer sie versteht, der werb um mich.

SACHS
Lieb' Evchen, machst mir blauen Dunst?

EVA
Nicht ich, Ihr seid's, Ihr macht mir Flausen!
Gesteht nur, dass Ihr wandelbar.
Gott weiss, wer Euch jetzt im Herzen mag hausen!
Glaubt ich mich doch drin so manches Jahr.

SACHS
Wohl, da ich dich gern auf den Armen trug?

EVA
Ich seh, 's war nur, weil Ihr kinderlos.

SACHS
Hatt' einst ein Weib und Kinder genug.

EVA
Doch, starb Eure Frau, so wuchs ich gross?

SACHS
Gar gross und schön!

EVA
Da dacht ich aus,
Ihr nähm't mich für Weib und Kind ins Haus?

SACHS
Da hätt ich ein Kind, und auch ein Weib!
's wär gar ein lieber Zeitvertreib!
Ja, ja! Das hast du dir schön erdacht.

EVA
Ich glaub, der Meister mich gar verlacht?
Am End auch liess er sich gar gefallen,
dass unter der Nas ihm weg vor Allen
der Beckmesser morgen mich ersäng'?

SACHS
Wer sollt's ihm wehren, wenn's ihm geläng'?
Dem wüsst allein dein Vater Rat.

EVA
Wo so ein Meister den Kopf nur hat!
Käm ich zu Euch wohl, fänd ich's zu Haus?

SACHS
Ach, ja! Hast recht: 's ist im Kopf mir kraus.
Hab heut manch Sorg und Wirr erlebt:
da mag's dann sein, dass was drin klebt.

EVA (näher rückend)
Wohl in der Singschul? 's war heut Gebot?

SACHS
Ja, Kind! Eine Freiung machte mir Not.

EVA
Ja, Sachs! Das hättet Ihr gleich solln sagen,
quält Euch dann nicht mit unnützen Fragen. -
Nun sagt, wer war's, der Freiung begehrt?

SACHS
Ein Junker, Kind, gar unbelehrt.

EVA
Ein Ritter? Mein, sagt! Und ward er gefreit?

SACHS
Nichts da, mein Kind! 's gab gar viel Streit.

EVA
So sagt, - erzählt, - wie ging es zu?
Macht's Euch Sorg', wie liess mir es Ruh? -
So bestand er übel, und hat vertan?

SACHS
Ohne Gnad versang der Herr Rittersmann.

MAGDALENE (kommt zum Hause heraus und ruft leise.)
Bst! Evchen! Bst!

EVA
Ohne Gnade? Wie?
Kein Mittel gäb's, das ihm gedieh?
Sang er so schlecht, so fehlervoll,
dass nichts mehr zum Meister ihm helfen soll?

SACHS
Mein Kind, für den ist Alles verloren,
und Meister wird der in keinem Land,
denn wer als Meister geboren,
der hat unter Meistern den schlimmsten Stand.

MAGDALENE (vernehmlicher rufend)
Der Vater verlangt.

EVA
So saget doch an,
ob keinen der Meister zum Freund er gewann?

SACHS
Das wär nicht übel, Freund ihm noch sein!
Ihm,.vor dem sich Alle fühlten so klein?
Den Junker Hochmut, lasst ihn laufen!
Mag er durch die Welt sich raufen;
was wir erlernt mit Sorg und Müh,
dabei lasst uns in Ruh verschnaufen:
hier renn er uns nichts übern Haufen;
sein Glück ihm anderswo erblüh!

EVA (erhebt sich zornig)
Ja! Anderswo soll's ihm erblühn
als bei euch garst'gen, neid'schen Mannsen,
wo warm die Herzen noch erglühen,
trotz allen tück'schen Meister Hansen! -
(zu Magdalene)
Gleich, Lene, gleich! Ich komme schon!
Was trüg ich hier für Trost davon?
Da riecht's nach Pech, dass Gott erbarm:
brennt' er's lieber, da würd er doch warm!
(Sie geht sehr aufgeregt über die Strasse hinüber und verweilt in grosser Unruhe unter der Türe des Hauses.)

SACHS (mit bedeutungsvollem Kopfnicken)
Das dacht ich wohl. Nun heisst's: schaff Rat!
(Er ist während des Folgenden damit beschäftigt, auch die obere Ladentür so weit zu schliessen, dass sie nur ein wenig Licht noch durchlässt: er selbst verschwindet so fast gänzlich.)

MAGDALENE
Hilf Gott! Wo bliebst du nur so spat?
Der Vater rief.

EVA
Geh zu ihm ein:
ich sei zu Bett, im Kämmerlein.

MAGDALENE
Nicht doch, - hör mich! Komm ich dazu?
Beckmesser fand mich; er lässt nicht Ruh:
zur Nacht sollst du dich ans Fenster neigen,
er will dir was Schönes singen und geigen,
mit dem er dich hofft zu gewinnen, das Lied,
ob das dir nach Gefallen geriet.

EVA
Das fehlte auch noch! - Käme nur Er!

MAGDALENE
Hast David gesehn?

EVA
Was soll mir der?

MAGDALENE (für sich)
Ich war zu streng; er wird sich grämen.

EVA
Siehst du noch nichts?

MAGDALENE
'sist, als ob Leut dort kämen.

EVA
Wär er's?

MAGDALENE
Mach, und komm jetzt hinan.

EVA
Nicht eh'r, bis ich sah den teuersten Mann!

MAGDALENE
Ich täuschte mich dort; er war es nicht.
jetzt komm, sonst merkt der Vater die Geschicht!

EVA
Ach, meine Angst! -

MAGDALENE
Auch lass uns beraten',
wie wir des Beckmessers uns entladen!

EVA
Zum Fenster gehst du für mich.

MAGDALENE
Wie? ich? -
(für sich)
Das macht wohl David eiferlich? -
Er schläft nach der Gassen: hihi! 's wär fein! -

EVA
Da hör ich Schritte.

MAGDALENE (zu Eva)
Jetzt komm, es muss sein.

EVA
Jetzt näher!

MAGDALENE
Du irrst; 's ist nichts, ich wett.
Ei, komm! Du musst, bis der Vater zu Bett.

POGNERS STIMME (von innen)
He! Lene! Eva!

MAGDALENE
'sist höchste Zeit.
Hörst du's? Komm! Dein Ritter ist weit.
(Sie reisst sich von Magdalene los und stürzt Walther entgegen.)

Fünfte Szene

(Walther ist die Gasse heraufgekommen,jetzt biegt er um die Ecke herum. Eva erblickt ihn.)

EVA
Da ist er!
(Sie reisst sich von Magdalene los und stürzt Walther entgegen.)
Ja. Ihr seid es;
nein, Du bist es!
Alles sag ich,
denn Ihr wisst es;
alles klag' ich,
denn ich weiss es:
Ihr seid beides,
Held des Preises
und mein einz'ger Freund!

WALTHER (leidenschaftlich)
Ach, du irrst: bin nur dein Freund,
doch des Preises
noch nicht würdig,
nicht den Meistern
ebenbürtig:
mein Begeistern
fand Verachten,
und ich weiss es,
darf nicht trachten
nach der Freundin Hand.

EVA
Wie du irrst! Der Freundin Hand,
erteilt nur sie den Preis,
wie deinen Mut ihr Herz erfand,
reicht sie nur dir das Reis.

WALTHER
Ach, nein! Du irrst: der Freundin Hand,
wär keinem sie erkoren,
wie sie des Vaters Wille band,
mir wär sie doch verloren!
"Ein Meistersinger muss es sein;
nur, wen ihr krönt, den darf sie frei'n!"
So sprach er festlich zu den Herrn;
kann nicht zurück, möcht er auch gern!
Das eben gab mir Mut:
wie ungewohnt mir Alles schien,
ich sang voll Lieb und Glut,
dass ich den Meisterschlag verdien.
Doch, diese Meister!
Ha! diese Meister!
Dieser Reimgesetze
Leimen und Kleister! -
Mir schwillt die Galle,
das Herz mir stockt,
denk ich der Falle,
darein ich gelockt.
Fort, in die Freiheit!
Dahin gehör ich, -
dort, wo ich Meister im Haus!
Soll ich dich frei'n heut,
dich nun beschwör ich,
komm und folg mir hinaus!
Nichts steht zu hoffen;
keine Wahl ist offen!
Überall Meister,
wie böse Geister,
seh ich sich rotten,
mich zu verspotten:
mit den Gewerken,
aus den Gemerken,
aus allen Ecken,
auf allen Flecken,
seh ich zu Haufen
Meister nur laufen,
mit höhnendem Nicken
frech auf dich blicken,
in Kreisen und Ringeln
dich umzingeln,
näselnd und kreischend
zur Braut dich heischend,
als Meisterbuhle
auf dem Singestuhle,
zitternd und bebend,
hoch dich erhebend!
Und ich ertrüg es, sollt es nicht wagen,
gradaus tüchtig drein zu schlagen?
(Man hört den starken Ruf eines Nachtwächterhorns.)
Ha!
(Walther hat die Hand an das Schwert gelegt und starrt wild vor sich hin.)

EVA (fasst ihn besänftigend bei der Hand)
Geliebter, spare den Zorn;
's war nur des Nachtwächters Horn. -
Unter der Linde
birg dich geschwinde;
hier kommt der Wächter vorbei.

MAGDALENE (ruft leise unter der Türe)
Evchen! 's ist Zeit: mach dich frei!

WALTHER
Du fliehst?

EVA
Muss ich denn nicht?

WALTHER
Entweichst?

EVA
Dem Meistergericht.
(Sie verschwindet mit Magdalene im Hause. - Der Nachtwächter ist währenddem in der Gasse erschienen, kommt singend nach vorn, biegt um die Ecke von Pogners Haus und geht nach links zu weiter ab.)

DER NACHTWÄCHTER
Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen,
die Glock hat zehn geschlagen;
bewahrt das Feuer und auch das Licht,
dass niemand kein Schad geschieht.
Lobet Gott den Herrn! -

SACHS (welcher hinter der Ladentüre dem Gespräche gelauscht,
öffnet jetzt, bei eingezogenem Lampenlicht, ein wenig mehr.)

Üble Dinge, die ich da merk:
eine Entführung gar im Werk?
Aufgepasst! Das darf nicht sein. -

WALTHER (hinter der Linde)
Käm sie nicht wieder? O der Pein!
(Eva kommt in Magdalenes Kleidung aus dem Hause.)
Doch ja, sie kommt dort? - Weh mir! - nein! -
die Alte ist's. -
(Eva erblickt Walther und eilt auf ihn zu.)
Doch - aber - ja!

EVA
Das tör'ge Kind, da hast du's, da!
(Sie wirft sich ihm heiter an die Brust.)

WALTHER
O Himmel! ja, nun wohl ich weiss,
dass ich gewann den Meisterpreis.

EVA
Doch nun kein Besinnen!
Von hinnen! Von hinnen!
O, wären wir schon fort!

WALTHER
Hier durch die Gasse, dort
finden wir vor dem Tor
Knecht und Rosse vor.
(Nachtwächterhorn entfernt. Als beide sich wenden um in die Gasse einzubiegen, lässt Sachs, nachdem er die Lampe hinter eine Glaskugel gestellt, durch die ganz wieder geöffnete Ladentüre einen grellen Lichtschein quer über die Strasse fallen, so dass Eva und Walther sich plötzlich hell erleuchtet sehen.)

EVA (Walther hastig zurückziehend)
O weh! Der Schuster! -
Wenn er uns säh!
Birg dich - komm ihm nicht in die Näh!

WALTHER
Welch andrer Weg führt uns hinaus?

EVA (nach rechts weisend)
Dort durch die Strasse; doch der ist kraus,
ich kenn ihn nicht gut; auch stiessen wir dort
auf den Wächter.

WALTHER
Nun denn, durch die Gasse.

EVA
Der Schuster muss erst vom Fenster fort.

WALTHER
Ich zwing ihn, dass er's verlasse.

EVA
Zeig dich ihm nicht: er kennt dich.

WALTHER
Der Schuster?

EVA
's ist Sachs.

WALTHER
Hans Sachs? Mein Freund!

EVA
Glaub's nicht!
Von dir Übles zu sagen nur wusst er.

WALTHER
Wie? Sachs? Auch er? - Ich lösch ihm das Licht.

Sechste Szene

(Beckmesser ist dem Nachtwächter nachschleichend, die Gasse heraufgekommen,hat nach den Fenstern von Pogners Haus gespäht und an Sachsens Haus angelehnt, stimmt er jetzt seine migebrachte Laute.)

EVA (Walther zurückhaltend)
Tu's nicht! - Doch horch! -

WALTHER
Einer Laute Klang.

EVA
Ach! meine Not!
(Als Sachs den ersten Ton der Laute vernommen, hat er, von einem plötzlichen Einfall erfasst, das Licht wieder etwas eingezogen und öffnet leise den unteren Teil des Ladens.)

WALTHER
Wie wird dir bang?
Der Schuster, sich, zog ein das Licht:
so sei's gewagt!

EVA
Weh! Siehst du denn nicht?
Ein Andrer kam, und nahm dort Stand.

WALTHER
Ich hör's und seh's: ein Musikant.
Was will der hier so spät des Nachts?

EVA
Is ist Beckmesser schon!
(Sachs hat unvermerkt seinen Werktiscb ganz unter die Tür gestellt; jetzt erlauscbt er Evas Ausruf.)

SACHS
Aha! - ich dacht's.
(Er setzt sich leise zur Arbeit zurecht.)

WALTHER
Der Merker? Er? In meiner Gewalt?
Drauf zu! Den Lung'rer mach ich kalt.

EVA
Um Gott! So hör! Willst du den Vater wecken?
Er singt ein Lied, dann zieht er ab. -
Lass dort uns im Gebüsch verstecken! -
Was mit den Männern ich Müh doch hab!
(Sie zieht Walther hinter das Gebüscb auf die Bank unter der Linde. Beckmesser, eifrig nach dem Fenster lugend, klimpert voll Ungeduld heftig auf der Laute. Als er sich endlich auch zum Singen rüstet, schlägt Sachs sehr stark mit dem Hammer auf den Leisten, nachdem er soeben das Licht wieder hell auf die Strasse hat fallen lassen.)

SACHS
Jerum! Jerum!
Hallahallohe!
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!

BECKMESSER
Was soll das sein? -
Verdammtes Schrei'n!

SACHS
Als Eva aus dem Paradies
von Gott dem Herrn verstossen,
gar schuf ihr Schmerz der harte Kies
an ihrem Fuss, dem blossen.

BECKMESSER
Was fällt dem groben Schuster ein?

SACHS
Das jammerte den Herrn;

WALTHER (flüsternd zu Eva)
Was heisst das Lied? Wie nennt er dich?

SACHS
Ihr Füsschen hatt er gern,
und seinem Engel rief er zu:

EVA (flüsternd zu Walther)
Ich hört es schon; 's geht nicht auf mich:
doch eine Bosheit steckt darin.

SACHS
"Da, mach der armen Sünd'rin Schuh';
und da der Adam, wie ich seh,
an Steinen dort sich stösst die Zeh,

WALTHER
Welch Zögernis! Die Zeit geht hin.

SACHS
dass recht fortan
er wandeln kann,
so miss dem auch Stiefeln an!"

BECKMESSER (zu Sachs)
Wie? Meister? Auf? Noch so spät zur Nacht?

SACHS
Herr Stadtschreiber! Was? Ihr wacht? -
Die Schuh machen Euch grosse Sorgen?
Ihr seht, ich bin dran: Ihr habt sie morgen.
(Er arbeitet weiter.)

BECKMESSER
Hol der Teufel die Schuh!
Hier will ich Ruh!

SACHS
Jerum! Jerum!
Hallo hallohe
Oho! Tralalei! Tralalei! O he!
O Eva! Eva! Schlimmes Weib,
das hast du am Gewissen,
dass ob der Füss am Menschenleib
jetzt Engel schustern müssen!

WALTHER (zu Eva)
Uns, oder dem Merker,
wem spielt er den Streich?

EVA (zu Walther)
Ich fürcht, uns Dreien gilt er gleich.
O weh, der Pein!

SACHS
Bliebst du im Paradies,
da gab es keinen Kies:
um deiner jungen Missetat
hantier ich jetzt mit Ahl und Draht,
und ob Herrn Adams übler Schwäch'
versohl ich Schuh und streiche Pech!

EVA
Mir ahnt nichts Gutes.

WALTHER
Mein süsser Engel, sei guten Mutes!

EVA
Mich betrübt das Lied.

WALTHER
Ich hör es kaum;
du bist bei mir:
Welch holder Traum!

SACHS
Wär ich nicht fein
ein Engel rein,
der Teufel möchte Schuster sein! -
Je -

BECKMESSER (drohend auf Sachs zufahrend)
Gleich höret auf!
Spielt Ihr mir Streich'?
Bleibt Ihr tags
und nachts Euch gleich?

SACHS
Wenn ich hier sing,
was kümmert's Euch?
Die Schuhe sollen
doch fertig werden?

BECKMESSER
So schliesst Euch ein,
und schweigt dazu still!

SACHS
Des Nachts arbeiten
macht Beschwerden;
wenn ich da munter
bleiben will,
da brauch ich Luft
und frischen Gesang:
drum hört, wie der dritte
Vers gelang! -
Jerum! Jerum!

BECKMESSER
Er macht mich rasend!

SACHS
Hallahallohe!

BECKMESSER
Das grobe Geschrei!

SACHS
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!

BECKMESSER
Am End denkt sie gar, dass ich das sei!

SACHS
O Eva! Hör mein Klageruf,
mein Not und schwer Verdrüssen!
Die Kunstwerk', die ein Schuster schuf,
sie tritt die Welt mit Füssen.
Gäb nicht ein Engel Trost,
der gleiches Werk erlost,
und rief mich oft ins Paradies,
wie ich da Schuh und Stiefel liess!
Doch wenn mich der im Himmel hält,
dann liegt zu Füssen mir die Welt,
und bin in Ruh
Hans Sachs, ein Schuhmacher und Poet dazu!

BECKMESSER
Das Fenster geht auf! -
(Magdalene öffnet leise das Fenster und zeigt sich vorsichtig in Evas Kleidung.)

EVA (zu Walther)
Mich schmerzt das Lied, ich weiss nicht wie!
O fort! Lass uns fliehen!

WALTHER
Nun denn: mit dem Schwert!

EVA
Nicht doch! Ach, halt!

BECKMESSER
Herr Gott, 's ist sie. -

WALTHER
Kaum wär er's wert.

EVA
Ja, besser Geduld.

BECKMESSER
Jetzt bin ich verloren, singt der noch fort!
(Er tritt zu Sachs an den Laden heran und klimpert, während des
Folgenden, mit dem Rücken der Gasse zugewendet, seitwärts auf der
Laute, um Magdalene am Fenster festzuhalten.)

EVA
O, bester Mann!
Dass ich so Not dir machen kann!

BECKMESSER
Freund Sachs! So hört doch nur ein Wort!

WALTHER (leise zu Eva)
Wer ist am Fenster?

BECKMESSER
Wie seid Ihr auf die Schuh versessen!

EVA
's ist Magdalene.

BECKMESSER
Ich hatt sie wahrlich schon vergessen.

WALTHER
Das heiss ich vergelten.

BECKMESSER
Als Schuster seid Ihr mir wohl wert -

WALTHER
Fast muss ich lachen.

BECKMESSER
als Kunstfreund doch weit mehr verehrt.

EVA
Wie ich ein End und Flucht mir ersehne!

WALTHER
Ich wünscht, er möchte den Anfang machen.
(Walther und Eva, auf der Bank, verfolgen des weiteren den Vorgang zwischen Sachs und Beckmesser mit wachsender Teilnahme.)

BECKMESSER
Eu'r Urteil, glaubt, das halt ich hoch;
drum bitt ich, hört das Liedlein doch,
mit dem ich morgen möcht gewinnen,
ob das auch recht nach Euren Sinnen.
(Er klimpert wiederholt seitwärts, ängstlich nach dem Fenster gewandt.)

SACHS
O ha! Wollt mich beim Wahne fassen?
Mag mich nicht wieder schelten lassen.
Seit sich der Schuster dünkt Poet,
gar übel es um Eu'r Schuhwerk steht:
da seh ich wie's schlappt,
und überall klappt;
drum lass ich Vers und Reim
gar billig nun daheim,
Verstand und Witz, und Kenntnis dazu,
mach Euch für morgen die neuen Schuh.

BECKMESSER
Lasst das doch sein! Das war ja nur Scherz.
Vernehmt besser, wie's mir ums Herz. -
Vom Volk seid Ihr geehrt,
auch der Pognerin seid Ihr wert:
will ich vor aller Welt
nun morgen um die werben,
sagt! - könnt's mich nicht verderben,
wenn mein Lied ihr nicht gefällt?
Drum hört mich ruhig an,
und sang ich, sagt mir dann,
was Euch gefällt, was nicht, -
dass ich mich darnach richt!

SACHS
Ei! Lasst mich doch in Ruh,
wie käme solche Ehr mir zu?
Nur Gassenhauer dicht' ich zum meisten:
drum sing ich zur Gassen, und hau auf den Leisten! -
Jerum! Jerum!
Hallahallohe!
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!

BECKMESSER (während Sacbs singt)
Verfluchter Kerl! Den Verstand verlier ich,
mit seinem Lied voll Pech und Schmierich!
Schweigt doch! Weckt Ihr die Nachbarn auf?

SACHS
Die sind's gewöhnt. 's hört keiner drauf.
"O Eva! Eva!"

BECKMESSER
Oh, Ihr boshafter Geselle!
Ihr spielt mir heut den letzten Streich:
Schweigt Ihr jetzt nicht auf der Stelle,
so denkt Ihr dran, das schwör ich Euch!
(Er klimpert wütend.)
Neidisch seid Ihr, nichts weiter:
dünkt Ihr Euch auch gleich gescheiter;
dass Andre auch was sind, ärgert Euch schändlich:
glaubt, ich kenne Euch aus- und inwendlich!
Dass man Euch noch nicht zum Merker gewählt,
das ist's, was den gallichten Schuster quält.
Nun gut! So lang als Beckmesser lebt,
und ihm noch ein Reim an den Lippen klebt;
so lang ich noch bei den Meistern was gelt -
ob Nürnberg blüh und Wachs,
das schwör ich Herrn Hans Sachs,
nie wird er je zum Merker bestellt.
(Er klimpert in höchster Wut.)

SACHS (der ihm ruhig und aufmerksam zugehört bat)
War das Eu'r Lied?

BECKMESSER
Der Teufel hol's!

SACHS
Zwar wenig Regel, doch klang's recht stolz.

BECKMESSER
Wollt Ihr mich hören?

SACHS
In Gottes Namen,
singt zu: ich schlag auf die Sohl die Rahmen.

BECKMESSER
Doch schweigt Ihr still?

SACHS
Ei, singet Ihr,
die Arbeit, schaut, fördert's auch mir.
(Er klopft auf seinen Leisten.)

BECKMESSER
Das verfluchte Klopfen wollt Ihr doch lassen?

SACHS
Wie sollt ich die Sohl Euch richtig fassen?

BECKMESSER
Was? Ihr wollt klopfen, und ich soll singen?

SACHS
Euch muss das Lied, mir der Schuh gelingen.
(Er fährt weiter mit seinem Geklopfe.)

BECKMESSER
Ich mag keine Schuh!

SACHS
Das sagt Ihr jetzt:
in der Singschul Ihr mir's dann wieder versetzt.
Doch hört! Vielleicht sich's richten lässt;
zweieinig geht der Mensch am best'.
Darf ich die Arbeit nicht entfernen,
die Kunst des Merkers möcht ich erlernen;
darin kommt Euch nun keiner gleich:
ich lern sie nie, wenn nicht von Euch.
Drum, singt Ihr nun, ich acht und merk,
und fördre wohl dabei mein Werk.

BECKMESSER
Merkt immer zu; und was nicht gewann,
nehmt Eure Kreide und streicht mir's an.

SACHS
Nein, Herr! da fleckten die Schuh mir nicht:
mit dem Hammer auf den Leisten halt ich Gericht.

BECKMESSER
Verdammte Bosheit! - Gott, und 's wird spät!
Am End mir die Jungfer vom Fenster geht!
(Er klimpert eifrig.)

SACHS (aufschlagend)
Fanget an, 's pressiert: sonst sing ich für mich.

BECKMESSER
Halt't ein! Nur das nicht! - (Teufel! Wie ärgerlich!) -
Wollt Ihr Euch denn als Merker erdreisten,
nun gut, so merkt mit dem Hammer auf den Leisten:
nur mit dem Beding, nach den Regeln scharf,
aber nichts, was nach den Regeln ich darf.

SACHS
Nach den Regeln, wie sie der Schuster kennt,
dem die Arbeit unter den Händen brennt.

BECKMESSER
Auf Meisterehr?

SACHS
Und Schustermut!

BECKMESSER
Nicht einen Fehler: glatt und gut.

SACHS
Dann ging't Ihr morgen unbeschuht!
(Nacbtwächterborn sehr entfernt. Sachs deutet auf den Steinsitz vor der Ladentüre.)
Setzt Euch denn hier!

BECKMESSER (sich nach der Ecke des Hauses zurückziehend)
Lasst mich hier stehen.

SACHS
Warum so weit?

WALTHER (leise zu Eva)
Welch toller Spuk! Mich dünkt's ein Traum:
den Singstuhl, scheint's, verliess ich kaum.

EVA (sanft an Waltbers Brust gelehnt)
Die Schläf umwebt mir's wie ein Wahn:
ob's Heil, ob Unheil, was ich ahn?

BECKMESSER
Euch nicht zu sehen,
wie's Brauch der Schul vor dem Gemerk.

SACHS
Da hör ich Euch schlecht.

BECKMESSER
Der Stimme Stärk
ich so gar lieblich dämpfen kann.
(Er stellt sich ganz um die Ecke dem Fenster gegenüber auf.)

SACHS
(Wie fein!) Nun, gut denn! Fanget an!
(Beckmesser stimmt die Laute aufs neu und spielt darauf ein kurzes
Vorspiel.)

BECKMESSER
"Den Tag seh' ich erscheinen,
der mir wohl gefall'n tut;
(Sachs schlägt auf. Beckmesser schüttelt sich.)
da fasst mein Herz sich einen ...
(Sachs schlägt auf. Beckmesser setzt heftig ab, singt aber weiter.)
guten und frischen" -
(Sachs hat aufgeschlagen. Beckmesser wendet sich wütend um die Ecke herum.)
Treibt Ihr hier Scherz?
Was wär nicht gelungen?

SACHS
Besser gesungen:
"Da fasst mein Herz
sich einen guten, frischen?"

BECKMESSER
Wie soll sich das reimen
auf "seh ich erscheinen"?

SACHS
Ist Euch an der Weise nichts gelegen?
Mich dünkt, sollt passen Ton und Wort?

BECKMESSER
Mit Euch zu streiten? - Lasst von den Schlägen,
sonst denkt Ihr mir dran!

SACHS
Jetzt fahret fort!

BECKMESSER
Bin ganz verwirrt! -

SACHS
So fangt noch mal an:
drei Schläg ich jetzt pausieren kann.

BECKMESSER (beiseite)
Am besten, wenn ich ihn gar nicht beacht: -
wenn's nur die Jungfer nicht irre macht!
"Den Tag seh ich erscheinen,
der mir wohl gefall'n tut;
da fasst mein Herz sich einen
guten und frischen Mut:
da denk ich nicht an Sterben,
(Sachs schlägt.)
lieber an Werben
um jung Mägdeleins Hand.
(Sachs schlägt.)
Warum wohl aller Tage
(Schlag)
schönster mag dieser sein?
(Schlag)
Allen hier ich es sage:
weil ein schönes Fräulein
(zwei Schläge)
von ihrem lieb'n Herrn Vater,
wie gelobt hat er,
(viele kleine Schläge)
ich bestimmt zum Eh'stand.
(Schläge)
Wer sich getrau,
(Schlag)
der komm und schau.
(Schlag)
Da steht die hold lieblich Jungfrau,
(Schläge)
auf die ich all mein Hoffnung bau,
darum ist der Tag so schön blau,
(viele Schläge)
als ich anfänglich fand."
Sachs! Seht, Ihr bringt mich um!
Wollt Ihr jetzt schweigen?

SACHS
Ich bin ja stumm!
Die Zeichen merkt ich; wir sprechen dann:
derweil lassen die Sohlen sich an.

BECKMESSER (gewahrend, dass Magdalene sich vom Fenster entfernen will)
Sie entweicht? Bst! Bst! - Herr Gott, ich muss!
(um die Ecke herum die Faust gegen Sachs ballend)
Sachs, Euch gedenk ich die Ärgernuss!

SACHS (mit dem Hammer nach dem Leisten ausholend)
Merker am Ort-.
fahret fort!

BECKMESSER (immer stärker und atemloser)
"Will heut mir das Herz hüpfen,
(Schläge wie vorher)
werben um Fräulein jung,
doch tät der Vater knüpfen
daran ein Bedingung
für den, wer ihn beerben
will, und auch werben
um sein Kindelein fein.
Der Zunft ein biedrer Meister,
wohl sein Tochter er liebt,
doch zugleich auch beweist er,
was er auf die Kunst gibt:
zum Preise muss es bringen
im Meistersingen,
wer sein Eidam will sein.
Nun gilt es Kunst,
dass mit Vergunst,
ohn all schädlich gemeinen Dunst
ihm glücke des Preises Gewunst,
wer begehrt mit wahrer Inbrunst,
(Sachs, welcher kopfschüttelnd es aufgibt die einzelnen Fehler anzumerken, arbeitet hämmernd fort um den Keil aus dem Leisten zu schlagen.)
um die Jungfrau zu frei'n."

SACHS (über den Laden weit berausgelehnt)
Seid Ihr nun fertig?

BECKMESSER (in höchster Angst)
Wie fraget Ihr?

SACHS (hält die fertigen Schuhe triumphierend heraus)
Mit den Schuhen ward ich fertig schier. -
Das nennt man mir echte Merkerschuh: -
mein Merkersprüchlein hört dazu! -
Mit lang und kurzen Hieben
steht's auf der Sohl geschrieben:
da lest es klar
und nehmt es wahr,
und merkt's Euch immerdar.
Gut Lied will Takt:
wer den verzwackt,
dem Schreiber mit der Feder
haut ihn der Schuster aufs Leder. -
Nun lauft in Ruh:
habt gute Schuh,
der Fuss Euch drin nicht knackt,
ihn hält die Sohl im Takt!

BECKMESSER (der sich ganz in die Gasse zurückgezogen hat und an die Mauer mit dem Rücken sich anlehnt, singt, um Sachs zu übertäuben, mit grösster Anstrengung, schreiend und atemlos hastig.)
"Darf ich mich Meister nennen,
das bewähr ich heut gern,
weil ich nach dem Preis brennen
muss, dursten und hungern.
Nun ruf ich die neun Musen,
dass an sie blusen
mein dicht'rischen Verstand.
Wohl kenn ich alle Regeln,
halte gut Mass und Zahl;
doch Sprung und überkegeln
wohl passiert je einmal,
wann der Kopf ganz voll Zagen
zu frei'n will wagen
um jung Mägdeleins Hand.
(Er verschnauft sich.)
Ein Junggesell,
trug ich mein Fell,
mein Ehr, Amt, Würd und Brot zur Stell,
dass Euch mein Gesang wohl gefällt,
und mich das Jungfräulein erwähl,
wenn sie mein Lied gut fand." -

DAVID (hat den Fensterladen, dicht hinter Beckmesser, ein wenig geöffnet und lugt daraus hervor.)
Wer Teufel, hier? -
(Er wird Magdalene gewahr.)
Und drüben gar?
Die Lene ist's -, ich seh es klar!
Herrje, der war's, den hat sie bestellt.
Der ist's, der ihr besser als ich gefällt!
Nun warte, du kriegst's! Dir streich ich das Fell!
(Er entfernt sich nach innen.)

NACHBARN (erst einige, dann immer mehr, öffnen während
Beckmessers Lied in der Gasse die Fenster und gucken heraus)

Was heult denn da? Wer kreischt mit Macht?
Ist das erlaubt so spät zur Nacht?
Gebt Ruhe hier! 's ist Schlafenszeit.
Mein', hört nur, wie dort der Esel schreit!
Ihr da! Seid still und schert Euch fort!
Heult, kreischt und schreit an andrem Ort!
(Sie verlassen die Fenster und kommen nach und nach in Nachtkleidern einzeln auf die Strasse heraus. - Sacbs beobachtet noch eine Zeitlang den wachsenden Tumult, löscht aber alsbald sein Licht aus und schliesst den Laden so weit, dass er, ungesehen, stets durch eine kleine öffnung den Platz unter der Linde beobachten kann. - Walther und Eva sehen mit wachsender Sorge dem anschwellenden Auflaufe zu; er schliesst sie in seinen Mantel fest an sich und birgt sich hart an der Linde im Gebüsch, so dass beide fast ungesehen bleiben.)

DAVID (der mit einem Knüppel bewaffnet, zurückgekommen ist, steigt aus dem Fenster und wirft sich auf Beckmesser)
Zum Teufel mit dir, verdammter Kerl!
(Magdalene winkt David heftig zurück.)

MAGDALENE (am Fenster, schreiend)
Ach, Himmel! David! Gott, welche Not!
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie schlagen sich noch tot!

BECKMESSER (zu David)
Verfluchter Bursch! Lässt du mich los?

DAVID
Gewiss! Die Glieder brech ich dir bloss!
(Beckmesser und David balgen sich fortwährend.)

NACHBARN (an den Fenstern)
Seht nach! Springt zu! Da würgen sich zwei!
(Sie kommen herab.)
's gibt Schlägerei!

ANDERE NACHBARN (in die Gasse laut schreiend)
Heda! Herbei! 's gibt Schlägerei:
da würgen sich zwei.
Ihr da, lasst los! Gebt freien Lauf!
Lasst ihr nicht los, wir schlagen drauf.

EIN NACHBAR
Ei, seht, auch Ihr hier? Geht's Euch was an?

EIN ZWEITER
Was sucht Ihr hier? Hat man Euch was getan?

ERSTER NACHBAR
Euch kennt man gut.

ZWEITER NACHBAR
Euch noch viel besser.

ERSTER NACHBAR
Wieso denn?

ZWEITER NACHBAR (zuschlagend)
Ei, so!

MAGDALENE (binabscbreiend)
David! Beckmesser!

LEHRBUBEN (einzeln, dann mehr, von allen Seiten dazukommend)
Herbei! Herbei! 's gibt Keilerei!

EINIGE
's sind die Schuster!

ANDERE
Nein, 's sind die Schneider!

DIE ERSTEREN
Die Trunkenbolde!

DIE ANDEREN
Die Hungerleider!

DIE NACHBARN (auf der Gasse durcheinander)
Euch gönnt ich's schon lange
Wird euch wohl bange?
Das für die Klage!
Seht euch vor, wenn ich schlage!
Hat euch die Frau gehetzt?
Schau, wie es Prügel setzt!
Seid ihr noch nicht gewitzt?
Nun, schlagt doch! - Das sitzt!
Dass dich Halunken
gleich ein Donnerwetter träf!
Wartet, ihr Racker!
Massabzwacker! -
Esel! - Dummrian! -
Du Grobian! -
Lümmel du! -
Drauf und zu!

LEHRBUBEN (von allen Seiten)
Kennt man die Schlosser nicht?
Die haben's sicher angericht't!
Ich glaub, die Schmiede werden's sein!
Die Schreiner seh ich dort beim Schein! -
Hei! Schaut die Schäffler dort beim Tanz!
Dort seh die Bader ich im Glanz;
herbei zum Tanz!
Krämer finden sich zur Hand
mit Gerstenstang und Zuckerkand,
mit Pfeffer, Zimt, Muskatennuss,
sie riechen schön,
doch machen viel Verdruss;
sie riechen schön,
und bleiben gern vom Schuss.
Seht nur, der Has
hat überall die Nas!
Meinst du damit etwa mich?
Mein ich damit etwa dich?
Immer mehr heran!
Lustig, wacker! jetzt geht's erst recht an!
Hei, nun geht's Plauz! hast du nicht gesehn!
Hast's auf die Schnauz! -
Ha! nun geht's: Krach! Hagelwetterschlag!
Wo es sitzt, da wächst nichts so bald nach!
Keilt euch wacker! Keiner weiche!
Haltet selbst Gesellen mutig stand!
Wer wich, 's wär wahrlich eine Schand!
Wacker drauf und dran!
Wir stehen alle wie ein Mann!
Wie ein Mann stehn wir alle fest zur Keilerei!
(Bereits prügeln sich Nachbarn und Lebrbuben fast allgemein durcheinander.)

GESELLEN (mit Knitteln bewaffnet, von verschiedenen Seiten)
Heda! Gesellen 'ran!
Dort wird mit Streit und Zank getan;
da gibt's gewiss noch Schlägerei;
Gesellen, haltet euch dabei!
's sind die Weber! 's sind die Gerber!
Die Preisverderber!
Dacht ich mir's doch gleich:
spielen immer Streich!
Dort den Metzger Klaus
kenn ich heraus!
's brennt manchem im Haus!
's ist morgen der Fünfte!
Zünfte heraus! -
Hei, hier setzt's Prügel!
Schneider mit dem Bügel!
Gürtler! - Spengler! - Zinngiesser! -
Leimsieder! - Lichtgiesser! -
Tuchscherer! Leinweber!
Immer dran! Immer drauf!
Schert euch selber fort und macht euch heim!
Immer drauf und dran!
jetzt gilt's, keiner weiche hier!
Zünfte! Zünfte! Heraus! -

DIE MEISTER (und älteren Bürger, von verschiedenen Seiten)
Was gibt's denn da für Zank und Streit?
Das tost ja weit und breit!
Gebt Ruh und schert euch jeder gleich nach Hause heim,
sonst schlag ein Hageldonnerwetter drein!
Stemmt euch hier nicht mehr zu Hauf,
oder sonst wir schlagen drein!

NACHBARINNEN (welche die Fenster geöffnet haben, herausguckend)
Was ist das für Zanken und Streit?
Da gibt's gewiss noch Schlägerei!
Wär nur der Vater nicht dabei!
's wird einem wahrlich angst und bang!
Heda! Ihr dort unten,
so seid doch nur gescheit!
Seid ihr denn Alle gleich
zu Streit und Zank bereit?
Seid ihr alle blind und toll?
Sind euch vom Wein denn noch die Köpfe voll?
Mein! Dort schlägt sich mein Mann!
Hilfe! Der Vater! Der Vater! Ach, sie haun ihn tot!
Hört keines mehr sein Wort! Gott, welche Not!
Seht dort den Christian; er walkt den Peter ab!
Auf, schreit zu Hilfe: Mord und Zeter! -
Gott, wie sie walken!
Die Köpf und Zöpfe wackeln hin und her!
Schafft Wasser, Wasser her! Wasser her!
das giesst ihn' auf die Köpf herab!
(Die Rauferei ist allgemein geworden, Schreien und Toben.)

MAGDALENE (am Fenster, verzweifelt die Hände ringend)
Hör doch nur, David!
So lass doch nur den Herrn dort los,
er hat mir nichts getan!
(hinabspäbend)
So hör mich doch nur an!
Herrgott, er hält ihn noch!
Nein! David, ist er toll?
Ach, David, hör:
's ist Herr Beckmesser!

POGNER (im Nachtgewand oben an das Fenster)
Um Gott! Eva! Schliess zu!
Ich seh, ob unt' im Hause Ruh!
(Er zieht Magdalene herein und schliesst das Fenster.)

WALTHER (der bisher mit Eva sich hinter dem Gebüsch verborgen, fasst jetzt Eva dicht in den linken Arm und zieht mit der rechten Hand das Schwert.)
Jetzt gilt's zu wagen,
sich durchzuschlagen!
(Er dringt mit geschwungenem Schwert bis in die Mitte der Bühne vor, um sich mit Eva durch die Gasse durchzuhauen. Da springt Sachs mit einem kräftigen Satze aus dem Laden, und packt Walther beim Arm.)

POGNER (auf der Treppe)
He! Lene! Wo bist du?

SACHS (die halb ohnmächtige Eva die Treppe hinaufstossend)
Ins Haus, Jungfer Lene!
(Pogner empfängt Eva und zieht sie in das Haus. - Sachs, mit einem Knieriemen David eines überhauend und mit einem Fusstritt ihn voran in den Laden stossend, zieht Walther, den er mit der andren Hand fest gefasst hält, mit sich hinein und schliesst sogleich fest hinter sich zu. - Beckmesser, durch Sachs von David befreit, sucht sich eilig durch die Menge zu flüchten. - Im gleichen Augenblick, wo Sachs auf die Strasse sprang, hörte man einen Hornruf des Nachtwächters. Alle suchen in eiliger Flucht nach allen Seiten hin das Weite, so dass die Bühne sehr bald gänzlich leer wird. Als die Strasse und Gasse leer geworden und alle Häuser geschlossen sind, betritt der Nachtwächter die Bühne, reibt sich die Augen, siebt sich verwundert um und schüttelt den Kopf.)

DER NACHTWACHTER (mit leise bebender Stimme)
Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen,
die Glock hat eilfe geschlagen:
bewahrt euch vor Gespenstern und Spuk,
dass kein böser Geist eu'r Seel beruck!
Lobet Gott, den Herrn!
(Hornruf. Der Vollmond tritt hervor und scheint hell in die Gasse hinein; der Nachtwächter schreitet langsam dieselbe hinab und biegt um die Ecke.)


Originally input by Mike Richter, <mrichter@mindspring.com> with thanks to George J. Lindner for proofing.